Schlechter Hören und das halbvolle Glas

Selbst, wenn wir schlechter hören, hören wir immer noch unglaublich Vieles. Zur Unterstützung unseres Prozesses hilft es -wie bei allen Herausforderungen im Leben- das halbvolle Glas zu sehen und wertzuschätzen. Und uns nicht von den Defiziten erdrücken zu lassen.

Schlechter zu hören ist nicht angenehm und schlechter zu verstehen bringt viel Unsicherheit dazu.
Trotzdem lohnt es sich -wie bei allen Herausforderungen im Leben- das halbvolle Glas zu finden und im Fokus zu halten:

Das menschliche Ohr nimmt im Durchschnitt Frequenzen zwischen 20 und 20’000 Hertz hörbar wahr. Hertz sind eine Messeinheit, die -knapp ausgedrückt- Schwingung messen.
20 bis 20’000 Hz ist zwar ein gewaltiges Spektrum von tiefsten Brummtönen bis zu höchstem Piepsen.
Im Vergleich aber zur Tierwelt ein eher magerer Ausschnitt an (im Prinzip unendlichen) übers Ohr wahrgenommenen Frequenzen.
Die meisten unserer Haustiere hören in den höheren Frequenzen ein Mehrfaches höher als wir Menschen. Bei den tieferen Frequenzen beginnt ihr hörbarer Bereich im Schnitt aber etwas später als bei uns (was nicht heisst, dass sie diese nicht spüren!)

Nun, alles schwingt in einer bestimmten Frequenz, in und um uns. Die einen Frequenzen werden akustisch wahrgenommen (= hören), die anderen als Farbe oder Licht erkannt, die dritten irgendwo im Körper gespürt etc.
Zum Vergleich: während die noch hörbaren 20’000 Hz beim Menschen 4 Nullen hinter der 2 haben, sind es bei den Farben so um die 14 Nullen hinter ihrer ersten Zahl! Oder anders ausgedrückt, das Hörbare schwingt im Vergleich zum Sichtbaren um ein Vielfaches langsamer.
Und, wäre beim Sehsinn und dem Hörsinn das Wahrnehmungs-Spektrum identisch, würden wir die Farben auch hören und das Gehörte auch sehen…
Interessant dazu Wikipedia: Beispiele von Frequenzen

Aber selbst, was wir hören, wird nicht nur über das Gehör wahrgenommen, sondern gleichzeitig auch über andere Sinne, wobei der Gehörsinn in diesem Fall einfach dominiert.

Bei einem «schlechteren» Hören, fallen nun messbar Frequenzen -welche im Durchschnitt von anderen gehört werden- nicht mehr in den hörbaren Bereich des betroffenen Individuums. Es ist also ein Vergleichswert zu «früher» u/o zu anderen Menschen.

In der Regel messen wir unsere hörbaren Frequenzen erst dann, wenn uns ein Fehlen auffällt und stört. Nicht jede fehlende Frequenz ist aber ein subjektiv grosser Verlust.
Der Verlust wird in der Regel spätestens dann subjektiv zur Belastung, wenn er das Sprachverstehen reduziert (bei Berufsgruppen mit hohen Anforderungen ans feine Hören, kann dies natürlich früher der Fall sein).
Ob das Sprachverstehen aber wirklich (nur) an den (wegfallenden) Frequenzen liegt, darauf wird in einem anderen blog eingegangen.
Selbst, wenn wir also einige Frequenzen nicht mehr hören, hören wir immer noch unendlich viele in aller Deutlichkeit. Das ist das (weit mehr als) halbvolle Glas.

Hörverlust ist also immer auch Auseinandersetzung mit der grundlegenden Frage, wie ich mich grundsätzlich sehe und messe: an den Defiziten oder an dem, was mir gut gelingt (Fähigkeiten).

Ob ich mich aber an Defiziten oder Fähigkeiten messe, mag keinen Einfluss haben auf die fehlenden Frequenzen, bestimmt aber auf unser allgemeines Wohlbefinden und den Umgang mit dem Defizit..
Ganz egal, wo ein Defizit festgestellt wird, das grundlegend gefühlte oder eben nicht gefühlte Wohlbefinden verändert dessen Wichtigkeit, Deutlichkeit und auch dessen Veränderbarkeit (zum Besseren) enorm!

Deshalb ist es weder Luxus noch Esoterik zu lernen unter allen Umständen das halbvolle Glas zu sehen. Welches -wie gesagt- beim Hören trotz Hörverlusten in aller Regel sowieso weit mehr als halbvoll ist.

Gepostet von